Motivationale Interdependenz in intimen Partnerschaften
Das Projekt
Das Konzept der dyadischen Interdependenz beschreibt die gegenseitige Einflussnahme von Beziehungspartnern auf ihr Verhalten und Erleben. Das Forschungsprojekt fokussiert auf Interdependenz zwischen motivationalen Dispositionen und Prozessen in intimen Partnerschaften. Während Interdependenz in der persönlichkeitspsychologisch orientierten Beziehungsforschung meist eher beschreibend über die Identifikation von Partnereffekten oder Interaktionseffekten zwischen Eigenschaften der Partner untersucht wird, nimmt das Projekt eine funktional-erklärende Perspektive ein.
Konkret wird ein theoretisches Modell (MIC-Modell) geprüft, das motivationale und kognitive Mechanismen zur Erklärung der Interdependenz zwischen Motivdispositionen in Partnerschaften postuliert. Die Motive des Partners werden als Umweltbedingungen des Akteurs aufgefasst, die (1) bei der Anregung des Akteur-Motivs und (2) bei der Umsetzung motivierten Verhaltens wirksam werden. Da die Motive (ebenso wie die aktuelle Motivation) des Partners als hypothetische Konstrukte aber nicht direkt beobachtbar sind, müssen ihre Effekte auf den motivationalen Prozess des Akteurs über beobachtbares Partner-Verhalten und die subjektive Wahrnehmung desselben durch den Akteur vermittelt werden. Kernannahmen des MIC-Modells konnten bereits durch korrelative Analysen dyadischer Experience-Sampling-Daten gestützt werden.
Das Forschungsprojekt zielt darauf ab, (1) die postulierten interdependenten Mechanismen mittels experimenteller Methoden einer kausalen Prüfung zu unterziehen und (2) das Interaktionsverhalten zwischen intimen Partnern durch Verhaltensbeobachtungen objektiver und differenzierter zu erfassen als in früheren Studien. Zu diesem Zweck wird eine umfangreiche Verhaltensbeobachtungsstudie mit heterosexuellen Paaren implementiert, in deren Verlauf die Motivation der Partner experimentell manipuliert wird. Diese Untersuchung im Beobachtungslabor wird eingerahmt durch die zweimalige Erhebung der Motive und der Beziehungsqualität der Paare über Internetstudien im Abstand von einem Jahr. Dies ermöglicht über die Prüfung des MIC-Modells hinaus die Untersuchung dynamischer Transaktionen zwischen Motiven und Beziehungsqualität sowie die Analyse vermittelnder Interaktionsmuster.
Insgesamt leistet das Forschungsprojekt durch die Verbindung intraindividueller und intradyadischer Mechanismen mit der interindividuellen Ebene der Persönlichkeit einen wichtigen Beitrag zur Integration von motivations-, beziehungs- und persönlichkeitspsychologischen Perspektiven auf dyadische Interdependenz. Langfristig sollen die Befunde des Projekts auch die angewandte Psychologie informieren, insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung empirisch fundierter Beratungs- und Interventionsprogramme, die eine optimale Umsetzung individueller Motive in Partnerschaften unterstützen.