Holzbuchstaben, die das Wort "Blog" bilden

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Aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung
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Foto: Wokandapix

Übersicht

  • Oh, wie so trügerisch – zu Fehlwahrnehmungen des sexuellen Interesses des Gegenübers
  • Partnerschaft und Gesundheit - Macht mein:e Partner:in mich gesünder? 
  • Appraisal Bias - Wie uns unsere Psyche hilft, Trennungen zu überwinden 
  • Der Zyklus der Frau - Wie hängen weibliche Hormone und männliches Verhalten zusammen?

Oh, wie so trügerisch – zu Fehlwahrnehmungen des sexuellen Interesses des Gegenübers

Paar bei einem Date

Foto: StockSnap

Das Bild des hartnäckigen Verehrers, der die Signale einfach nicht versteht oder anders herum vielfältige Annäherungsversuche, die beim Angebeteten trotz aller Bemühungen nicht ankommen – kennt wahrscheinlich jeder. Ob aus Filmen und Büchern, bei Freunden oder selbst bei einem (Valentins-)Date erlebt… Genau solche Fehlwahrnehmungen und Missverständnisse haben Anthony Lee und Kollegen mal etwas genauer unter die Lupe genommen.

Eine Studie von Anthony J. Lee et a. (2020)

Es liegt in der Natur der Sache…

Bisherige Studien haben gezeigt, dass es sich bei Fehlwahrnehmungen von sexuellem Interesse eines:einer potenziellen Partner:in häufig um eine Überschätzung durch Männer und eine Unterschätzung durch Frauen handelt. Diese Geschlechterunterschiede werden vor allem aus evolutionstheoretischer Perspektive mit der Fehler-Management-Theorie versucht zu erklären. Dabei geht es Individuen vorrangig um erfolgreiche Reproduktion, bei möglichst geringem Risiko folgenreicher Fehler. Dementsprechend überschätzen Männer eher das sexuelle Interesse einer Partnerin, um keine „Chance zu verpassen“, während Frauen dazu tendieren, das sexuelle Interesse des Gegenübers zu unterschätzen, um mit höherer Wahrscheinlichkeit einen Partner mit ernsthaftem Interesse zu finden, der beim Großziehen des Nachwuchses unterstützt.

Speed-Dating und mehr

In seiner Studie ging es Lee genau darum, zu erklären, wie der zu beobachtende Geschlechterunterschied zustande kommt. Dazu lernten sich 1226 interessierte Studierende beim Speed-Dating kennen. In Gruppen von jeweils 5 Frauen und 5 Männern hatten die Teilnehmer:innen 3-minütige Dating-Runden bis sie alle gegengeschlechtlichen Teilnehmer:innen kennengelernt hatten. Danach füllten sie verschiedene Fragen zu eigenem sexuellen Interesse, vermutetem sexuellen Interesse der Interaktionspartner:innen und zu Soziosexualität, einem Konstrukt, das sexuelle Einstellungen, Verhalten und Wünsche umfasst, aus.

Aus den Daten der Teilnehmer:innen zeigte sich, dass die Tendenz des sexuellen Interesses des Gegenübers zwar grundsätzlich richtig eingeschätzt werden konnte, sich aber auch hier die bekannten Geschlechterunterschiede zeigten. Männer überschätzten das Interesse ihrer Partnerinnen, Frauen unterschätzten es. Lee et al. zogen zur Erklärung der Unterschiede die Faktoren Soziosexualität, Einschätzung der eigenen Attraktivität und eigenes sexuelles Interesse am Gegenüber hinzu.

Liegt es wirklich am Geschlecht?

Sie konnten zeigen, dass der Geschlechterunterschied fast vollständig durch Soziosexualität und das eigene Interesse am Gegenüber erklärt werden konnte, wobei das eigene Interesse den größten Einfluss hatte. Personen, die an dem:der Partner:in interessiert waren, vermuteten also ebenfalls ein Interesse des:der anderen an der eigenen Person. Diese Einschätzung kann möglicherweise durch die Tendenz, Ähnlichkeiten bei anderen anzunehmen, erklärt werden. Demnach neigen wir dazu, andere Personen nach eigenen Grundsätzen einzuschätzen. Der zweite Einflussfaktor war die Soziosexualität. Teilnehmer:innen, die sich eher auf unverbindliche und kurzlebige Beziehungen einlassen würden, neigten dazu das Interesse der Partner:innen zu überschätzen, während Teilnehmer:innen, die eher auf eine langfristige Beziehung aus waren, das Interesse unterschätzten.

Ein kleiner, aber nicht signifikanter Effekt war außerdem für die Einschätzung der eigenen Attraktivität zu finden. So überschätzten Personen, die sich selbst als attraktiv wahrnahmen, mit höher Wahrscheinlichkeit das Interesse des:der Partner:in. Dies erklärten sich die Forscher:innen durch die generelle Erwartung, dass ein höheres Interesse an attraktiven Personen gezeigt wird sowie durch den Lerneffekt, dass diese Teilnehmer:innen früher sexuelles Interesse von anderen erfahren hatten und dadurch ihre Attraktivität höher einschätzten.

Insgesamt lässt sich also sagen, dass es nicht einfach daran liegt, dass Männer Männer oder Frauen eben Frauen sind, wenn das sexuelle Interesse eines:einer potenziellen Partner:in falsch eingeschätzt wird, sondern vielmehr daran, dass es Unterschiede in der Soziosexualität und dem eigenen Interesse gibt.

 

Verfasst von Charlotte Raithel (Jena) - veröffentlicht am  26. September 2022

„Die Liebe ist von allen Krankheiten noch die gesündeste“ (Euripides)
- Über Persönlichkeit, Partnerschaft und Gesundheit

Ausblick in die Natur mit Turnschuhen im Vordergrund

Foto: picjumbo_com

Dass unsere Persönlichkeitsstruktur vielfältige Auswirkungen auf unser Verhalten und Erleben hat, wurde schon häufig wissenschaftlich bestätigt. Wir haben in einem vorherigen Beitrag die fünf großen Facetten der Persönlichkeit erläutert: Extraversion, Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit, Neurotizismus und Offenheit für Erfahrungen. Diese Persönlichkeitsfaktoren können als Dimensionen verstanden werden, die jeder Mensch mehr oder weniger stark in sich trägt und mithilfe von Persönlichkeitstests gemessen werden können. Da diese fünf Faktoren das gesamte Spektrum der Persönlichkeit zusammenfassen, sind sie sehr allgemein gefasst. In verschiedenen Studien beschäftigen sich Wissenschaftler:innen immer wieder mit verschiedenen Fragen dazu, wie und worauf genau sich unsere Persönlichkeit auswirkt.

Wie beeinflusst meine Persönlichkeit meine Gesundheit?

Dieser Zusammenhang – also die Auswirkungen der eigenen Persönlichkeit auf die eigene Gesundheit – wird Akteureffekt genannt. So hängen zum Beispiel die eigene Gewissenhaftigkeit und emotionale Stabilität positiv mit der eigenen Gesundheit zusammen. Das heißt, je höher die Gewissenhaftigkeit und emotionale Stabilität, desto besser die eigene Gesundheit. Moderiert wird dieser Effekt vermutlich dadurch, dass gewissenhafte Personen beispielsweise häufiger Sport treiben und sich gesünder ernähren.

Wie beeinflusst mich jedoch mein:e Partner:in? Hat seine/ihre Persönlichkeit einen Einfluss auf meine Gesundheit?


 Diese Frage stellten sich Wissenschaftler*innen der School of Psychological Sciences & Health der University of Strathclyde, UK und der Faculty of Education, University of Western Australia, Australia.
 Sie ließen 182 heterosexuelle Paare einen Persönlichkeitstest und verschiedene andere Fragebögen ausfüllen. Darunter die „General Preventive Health Behaviours Checklist“, welche misst, wie oft Proband*innen gesundheitsförderliche sportliche Aktivitäten ausführen. Weitere Skalen wurden zur Erfassung der Lebensqualität und Stimmung (Ängstlichkeit, Depressionen, Stress) genutzt.

Die statistischen Analysen zeigen signifikante Ergebnisse bezüglich der Korrelation zwischen der Persönlichkeitseigenschaft „Gewissenhaftigkeit“ bei Männern und Frauen und der Lebensqualität ihrer Partner:innen. Das bedeutet, dass über den Einfluss der eigenen Persönlichkeit auf die eigene Lebensqualität hinaus, auch die Persönlichkeit der Partner*innen eine wichtige Rolle spielt! Diese Auswirkungen der Persönlichkeit der Partner:innen auf die eigene Gesundheit nennt man auch Partnereffekte. Alle anderen gemessenen Faktoren offenbarten in dieser Studie keinen signifikanten Zusammenhang mit der Gesundheit.

Können uns unsere Partner:innen dementsprechend gesünder machen? Dies lässt die vorgestellte Studie zumindest vermuten. Wie immer ist es in der psychologischen Forschung jedoch wichtig, weitere empirische Studien zu dem Thema zu beachten; Ergebnisse sind nie absolut.
 Wir werden euch in folgenden Beiträgen weitere spannende Phänomene der Persönlichkeitspsychologie näherbringen und uns freuen, euch dann hier wieder begrüßen zu dürfen.

Verfasst von Amina Aissaoui (Jena) - veröffentlicht am 03.05.2022
 
Williams, L., Ashford-Smith, S., Cobban, L., Fitzsimmons, R., Sukhatme, V., & Hunter, S. C. (2019). Does your partner's personality affect your health? Actor and partner effects of the Big Five personality traits. Personality and Individual Differences149, 231-234.

Trennungen überwinden - Wie unsere Psyche hilft

Mädchen, das einen herzförmigen Ballon loslässt.

Foto: Zorro4

Beziehungen enden und Ehen werden geschieden. Nicht wenige Beziehungen gehen in die Brüche, noch bevor sie den Status der Ehe erreicht haben. So ist es nicht verwunderlich, dass ca.  86% befragter Studenten bereits mindestens einen Breakup vor Abschluss ihres Studiums erlebt haben. Wie unerfreulich, verletzend und kompliziert die Trennung auch gewesen sein mag - das Leben geht weiter und dabei spielt die Wahrnehmung der Beziehung eine wichtige Rolle.

Eine Studie von Aiden P.J. Smyth, Johanna Peetz & Adrienne A. Capaldi (2020)

Appraisal Bias – verzerrte Wahrnehmung

Die Einschätzung (Appraisal) seiner Beziehung ist immer subjektiv und stark geprägt (biased) von individuellen Hoffnungen und Zielen. So ist es z.B. üblich die eigene Beziehung als besser als die anderer wahrzunehmen oder die Wahrscheinlichkeit einer Trennung als niedriger einzuschätzen. Diese subjektive Bewertung stellt die eigene Beziehung in ein gutes Licht und trägt oftmals zu einer höheren Beziehungszufriedenheit bei. Wie ändern sich die Einschätzungen von Partner und der gemeinsamen Zeit nun aber nach einer Trennung? Welche Motivation und Ziele beeinflussen dann die Bewertung?

In der Studie wurden Student*innen zunächst zu ihrer Beziehungszufriedenheit und zur Passung von sich und ihrem*r Partner*in befragt. Nach vier Monaten wurde der aktuelle Beziehungsstatus erfasst und anschließend erneut zu den gleichen Themen befragt. Zusätzlich wurde bei der zweiten Befragung auch erfasst, wie die Beziehung rückblickend und aktuell eingeschätzt wurde.

Es wurde festgestellt, dass Beziehungszufriedenheit und Passung rückblickend als geringer eingeschätzt wurden, als zu dem tatsächlichen Zeitpunkt. Dieser Bewertungstrend zeigte sich sowohl bei Paaren, die immer noch zusammen waren, als auch bei denen, die sich in der Zwischenzeit getrennt hatten. Allerdings war die retrospektiv negativere Bewertung getrennter Paare deutlich stärker, nämlich dreimal so hoch, als die der Paare, die noch zusammen waren.

Willkommen in der Realität?

Wie kommt es also, dass der*die einst als abenteuerlustig und spontan wahrgenommene Partner*in nach dem Ende der Beziehung als unzuverlässig und unorganisiert beschrieben wird?  Wurde nur die rosarote Brille abgenommen und man sieht diese Person auf einmal klarer? Oder redet man sie schlecht, weil sie unerreichbar scheint?

Die Antwort ist nicht ganz eindeutig: Ein bisschen von beidem…  Die Veränderung in der Bewertung kann als eine Art psychisches Immunsystem gesehen werden, das die Person vor emotionalen Konsequenzen einer unerwünschten Situation schützt, sodass die Trennung besser verarbeitet werden kann. Dabei geht es weniger darum, den*die Partner*in oder die Beziehung als negativ zu sehen, als vielmehr „weniger positiv“. Diese weniger positive Sichtweise kann dabei sogar oftmals zutreffender sein, als die überhöhte Einschätzung, zu der man in einer Beziehung neigt. Die Bewertung der Beziehung fällt auch bei zusammen Gebliebenen rückblickend negativer - so liegt die Vermutung nahe, dass die Bewertungsveränderung ein natürlicher Mechanismus ist, der die Person sich in der Gegenwart besser fühlen lässt. Entweder weil man in einer bestehenden Beziehung rückblickend eine Verbesserung wahrnimmt oder eben mit einer Trennung verhältnismäßig gut umgehen kann.

Verfasst von Charlotte Raithel (Jena) - veröffentlicht am 03.05.2022

Smyth, A. P., Peetz, J., & Capaldi, A. A. (2020). Ex-appraisal bias: Negative illusions in appraising relationship quality retrospectively. Journal of Social and Personal Relationships37(5), 1673-1680.

Wie hängen weibliche Hormone und männliches Verhalten zusammen?

Lachende Frau in der Natur

Foto: silviarita

Die vier Jahreszeiten des weiblichen Zyklus

Der weibliche Zyklus beginnt mit dem ersten Tag der Menstruation und kann in seiner Länge zwischen 25 bis 35 Tagen schwanken. Er besteht aus vier Phasen: Der Menstruation, der Follikelphase, dem Eisprung und der Lutealphase. Nach dem Menstruationsende steigt der Östrogenspiegel, nimmt dann um den Eisprung seinen Höhepunkt und sinkt in der Lutealphase wieder ab, während hier der Progesteronspiegel steigt.

In der Vergangenheit wurde bereits viel Evidenz geliefert, dass sich das sexuelle Interesse von Frauen über den Zyklus hinweg ändert, wobei es in der Follikelphase stärker ausgeprägt ist als in der Lutealphase. Es wurde allerdings vielfach kontrovers diskutiert, ob sich zusätzlich die weiblichen Präferenzen für mögliche Partner ändern, sei es für eine kurzfristige sexuelle oder eine langfristige romantische Beziehung.

Der Fokus der Studie

Die Studie von Julia Stern, Tanja M. Gerlach und Lars Penke aus dem Jahr 2020 untersucht diese Behauptung genauer. Gemessen wurde dabei von 157 weiblichen Teilnehmerinnen sowohl die Hormonanteile im Speichel sowie die Mengen des Luteinisierenden Hormons, als auch ein Rating über die kurzfristig-sexuelle versus langfristige Attraktivität von 70 Männern, die sich in einem Video in einer Interaktion mit einer anderen Frau befanden, abgegeben.

Dabei untersuchten Stern et al., ob die „good-genes-ovulatory-shift hypothesis“ (Gangestad et al., 2004; Lukaszewski & Roney, 2009) belegt werden kann. Der Hypothese nach sollen Frauen während ihrer Follikelphase Männer präferieren, die „gute Gene“ für sexuelle Beziehungen mit sich bringen. Damit sind eine gute Fitness und Gesundheit gemeint, die so weitervererbt würden. Diese Präferenz soll sich so weder in der darauffolgenden Lutealphase noch bei der Bewertung von Männern hinsichtlich längerfristiger Beziehungen zeigen.

Ein Fokus der Untersuchung lag dabei unter anderem auf dem männlichen Flirtverhalten sowie mit Dominanz assoziierte Hinweise in ebendiesem Verhalten. Es wurde in der Vergangenheit vermutet, dass ebendieses Flirtverhalten einen Eindruck darüber verschafft, wie sich ein Mann folglich als Partner — sei es als kurzfristig sexueller oder langfristiger Partner — verhält.

Die Hypothesen von Stern et al. umfassten die Vermutung, dass Frauen in ihrer Follikelphase im Vergleich zu jenen in der Lutealphase männliches Flirt- und Dominanzverhalten positiver hinsichtlich kurzfristig-sexueller Beziehungen bewerten würden. Außerdem sollten sich Frauen in ihrer Follikelphase eher zu Männern sexuell angezogen fühlen, die offenes Flirtverhalten zeigen, sich mehr „Zurschaustellen“ und stärker Blickkontakt aufrechterhalten.

Weiterhin vermuteten die Autor*innen, dass ähnliche Resultate hinsichtlich der Aspekte Dominanz, Aggressivität, Durchsetzungskraft, Konfrontation, Respektabilität und der Wahrscheinlichkeit, einen physikalischen Kampf zu gewinnen, gefunden werden.

Als letzte Hypothese nahmen sie an, dass hinsichtlich der Bewertung langfristiger Beziehungen solche Muster im Zyklusverlauf nur schwach wenn nicht sogar ganz abwesend sein sollten. Dabei kontrollierten sie weiterhin den Einfluss der Hormone und des Beziehungsstatus.

Wie sehen nun die Ergebnisse aus? Schwanken die weiblichen Vorlieben im Monatstakt?

Die Autor*innen konnten dafür tatsächlich keine Evidenz liefern. Weder unterlagen die Präferenzen ovulatorischen Zyklen, noch konnten sie durch die Hormonlevel der Teilnehmerinnen nachgewiesen werden. Die Effekte wurden weiterhin weder durch den Beziehungsstatus der Frauen beeinflusst noch blieben sie über mehrere Robustheit-Checks signifikant.

Somit widerlegten Stern et al. die sogenannte „good-genes-ovulatory-shift hypothesis“. Allerdings konnten die Autor*innen teilweise Evidenz dafür liefern, dass die generelle sexuelle weibliche Angezogenheit gegenüber Männern — genauso wie die Einschätzung langfristiger Attraktivität —  höher in der Follikel- als in der Lutelphase ausfällt.

Verfasst von Katharina Bronn (Jena) - veröffentlicht am 03.05.2022

Stern, J., Gerlach, T. M., & Penke, L. (2020). Probing ovulatory-cycle shifts in women’s preferences for men’s behaviors. Psychological science31(4), 424-436.